Verein für solidarische Landwirtschaft Wiesbaden sucht Flächen in der hessischen Landeshauptstadt.
Von Bardo Faust
Karotten, Tomaten, Zucchini, Gurken – alles frisch auf den Tisch. Und das vom eigenen Acker? Das „Apfelkomplott“ will dies möglich machen. Dahinter steckt ein Verein für solidarische Landwirtschaft, der sich in Wiesbaden gründen will. „Unser Ziel ist es, regional und solidarisch Lebensmittel zu produzieren und damit für uns eine Alternative zur vorherrschenden Wirtschaftsweise zu schaffen“, heißt es auf der Internetseite der Initiative.
Neben ökologisch und regional produzierten Lebensmitteln steckt eine alternative Marktform hinter dem Konzept. Verteilung statt Verkauf ist das Motto. Wie das geht? Nun, der Verein kauft oder pachtet eine Fläche, bewirtschaftet diese und verteilt die Erträge an die Vereinsmitglieder. Die Kosten werden vorher kalkuliert und von den Mitgliedern getragen – je nachdem, wie ihre finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten es zulassen. Und völlig unabhängig davon, wie viel Anteile vom Ertrag sie verbrauchen.
Alle können mitmachen
So viel zur Idee. Ansonsten ist noch ist vieles ungewiss beim Apfelkomplott. Welche Gemüse- und Obstsorten angebaut werden sollen zum Beispiel. Nur die Äpfel stehen fest. Auch das Land fehlt noch. Und die Frage, ob der Verein Tiere halten will, und wenn ja, zu welchem Zweck, ist offen: „Dies alles entscheidet sich, wenn wir den Verein tatsächlich gegründet haben“, sagt Manfred Rosental. Und dies soll in ein wenigen Wochen der Fall sein.
Rosental ist einer der Aktivisten, die im Sommer vergangenen Jahres die Idee der solidarischen Landwirtschaft aufgegriffen und für Wiesbaden weiterentwickelt haben. Auslöser war eine Veranstaltung mit einer Solwi-Aktivistin aus Freiburg, die im „Infoladen“ in der Blücherstraße von ihren Erfahrungen berichtete. „Danach habe ich gefragt, wer so was umsetzen will“, sagt Rosendal. Die Liste der Interessierten füllte sich schnell, 13, 14 Leute waren mit dabei.
Hinter Rosental und den übrigen acht Mitgliedern des Aktivenkreises liegen arbeitsreiche Monate. Aktiv sind auch Klaus Wollner und Tina Lehmann, die ebenfalls bei dem Gespräch mit der Frankfurter Rundschau dabei sind. Warum sie beim Apfelkomplott mitmachen? Rosental sucht nach alternativen Marktformen, weg von der Marktmacht der Großen: „Bei uns trägt nicht ein Einzelner das Risiko, sondern die Gemeinschaft.“ Tina Lehmann sieht es ähnlich: „Im Prinzip geht es immer um mehr. Konsum, Konsum, Konsum.“ Und dem wolle man etwas entgegensetzen, „auch ohne viel Fachwissen“, fügt Klaus Wollner hinzu. Immerhin: Als Hobbygärtner pflanzt er seit zwei Jahren Kartoffeln selbst an: „Die schmecken viel besser und man hat einen ganz anderen Bezug dazu. Die Wertschätzung für die Lebensmittel ist eine ganz andere.“
Deshalb gilt beim Apfelkomplott: „Bei uns gibt es das, was hier wächst, und zwar dann, wenn es reif ist“, sagt Wollner. „Unser Ziel ist, dass unsere Mitglieder keine regionalen Produkte mehr zukaufen müssen.“ Das Angebot soll saisonal sein, vielfältig und so kalkuliert, dass einmal die Woche geerntet wird. Ganzjährig. Auf chemische Mittel etwa bei Pflanzenschutz oder Düngung wird verzichtet. Voll im Trend liege man damit, meinen die drei – was sich auch am stetigen Anstieg der Interessierten zeigt. Die Liste der potenziellen Vereinsmitglieder ist auf etwa 50 gestiegen: „Und fast jeden Tag kommen neue hinzu“, sagt Rosental. Wie viele tatsächlich unterschreiben, bleibt abzuwarten. Die Hoffnung liegt bei 70 bis 100, bei einem Stück Land von etwa einem Hektar Größe: „Aber wenn es weniger werden, fangen wir kleiner an.“
Das ist ein Credo der Gruppe: „Wir haben Zeit“, sagte Klaus Wollner. Das Konzept, der Verein, die Suche nach Land, die Bitte um Unterstützung – alles soll gut bedacht, intensiv diskutiert werden. Und sich dann langsam entwickeln. „Ganz basisdemokratisch, was auch ein wichtiger Ansatz einer solidarischen Landwirtschaft ist“, sagt Wollner. Deshalb sei man bisher auch noch nicht in die Öffentlichkeit getreten. Es gibt jeden dritten Donnerstag im Monat von 20 Uhr an ein offenes Plenum im Infoladen. Im Frühjahr sind zudem Informationsveranstaltungen geplant. Aber erst, wenn der Verein eingetragen ist, soll es richtig losgehen.
Und dann erst soll nach Land gesucht werden. Zwar sondieren Wollner, Rosental, Lehmann und ihre Mitstreiter jetzt schon die Lage, freuen sich über Tipps und Anfragen. Aber erst der Verein, sein Vorstand und der in der Satzung als Entscheidungsgremium verankerte Aktivenkreis sollen Nägel mit Köpfen machen. „Ich habe gelesen, in Wiesbaden gibt es 140 landwirtschaftliche Betriebe, viele im Nebenerwerb. Und die Hälfte des Stadtgebietes wird landwirtschaftlich bearbeitet.“
Eigene Flächen professionell bewirtschaften
Da sollte doch was zu finden sein, meint Wollner. Ob dies in einer Kooperation mit einem Landwirt sein wird, oder alleine auf einem freien Feld – da wolle man sich nicht festlegen: „Wir s schauen was kommt.“ Auch wenn ohne Landwirt natürlich in Maschinen, Kühlräume, Traktoren investiert werden müsste. Auf jeden Fall soll die Fläche professionell bebaut und bearbeitet werden, mit Haushaltsplan und Anbauplan. Der Verein will einen Gärtner oder eine Gärtnerin einstellen „und fair bezahlen“, sagt Rosental: „Das ist jetzt erstmal der wichtigste Teil.“
Ohne diese professionelle Arbeit ginge es nicht: „Wir kommen alle nicht vom Fach“, sagt Wollner. Deshalb könne die Arbeit der Mitglieder auf dem Feld auch nur sporadisch und hilfsweise stattfinden. Mitmachen können, nein: sollen Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen – um zum Beispiel die Vereinsarbeit mit speziellen Kenntnissen zuu unterstützen.
Angesprochen werden ganz gezielt Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen am Rand der Gesellschaft stehen: Alleinerziehende, prekär Beschäftigte, Geflüchtete, ganz Junge, ganz Alte. Deren Beiträge können gering ausfallen, während besser gestellte Mitglieder dafür mehr bezahlen. Gelebte Solidarität eben.
http://www.fr-online.de/wiesbaden/wiesbaden-das-apfelkomplott,1472860,33925452.html